Bericht der Thüringer Allgemeinen vom 4. Oktober 2023 von Hanno Müller
Gesundheitskioske wie die in Kirchheilingen oder Urleben (Unstrut-Hainich-Kreis) sollen die medizinische und soziale Betreuung auf dem Land ergänzen. Doch bislang stoße man weiter an unzeitgemäße Grenzen, sagt Mitinitiator Christopher Kaufmann von der Stiftung Landleben.
Erfurt. Unermüdlich arbeitet Karl Lauterbach an seinen Vorstellungen von einer verbesserten Gesundheitsversorgung. Vor allem die Idee der Gesundheitskioske bleibt in Thüringen weiter umstritten.
Die Kritik an den Gesundheitskiosken reißt nicht ab. In Thüringen machte jüngst KVT-Chefin Annette Rommel beim Gipfel Ambulante Versorgung aus ihrer Ablehnung des Kioskmodells keinen Hehl. Menschen sollten sich weiter auf die niedergelassenen Praxen verlassen können, sagte Rommel dort, Goldstandard dafür sei das Hausarztmodell. „Wir warnen vor der Erosion ambulanter Strukturen durch den Aufbau teuer Nebenstrukturen mit hohem Personalbedarf wie zum Beispiel bei den Gesundheitskiosken. Evaluationen zu deren Nutzen sind uns nicht bekannt, nur Mutmaßungen“, so Rommel in Weimar.
Kioske fördern sozialen Zusammenhalt
Bei Christopher Kaufmann von der Stiftung Landleben in Thüringen stoßen solche Äußerungen auf Unverständnis. Vier Kioske in Bushäuschen-Größe betreibt die Stiftung bereits. Entworfen wurden sie für die Internationale Bauausstellung (Iba), im Frühjahr dieses Jahres wurden sie mit einer Belobigung des Deutschen Städtebaupreises 2023 ausgezeichnet. Das Rommel & Co. diese bislang von ihrer Kritik ausnehmen, ändere nichts an der Grundhaltung. Für Kaufmann sind die Gesundheitskioske ein Meilenstein beim Aufbau eines neuen Gesundheits-, Pflege- und Versorgungsnetzwerkes in ländlichen Regionen. „Zusammen mit dem Verein Landengel soll damit die Versorgungssicherheit gewährleistet und gleichzeitig der soziale Zusammenhalt in den Dörfern gefördert werden“, sagt der Initiator.
Weite Wege zum Arzt könnten vermieden werden
„Gesundheitskioske sind keine Doppelstruktur, wovor haben wir Angst?“, fragt Christopher Kaufmann. Ziel seien nicht nur Gesundheitsdienstleistungen, sondern auch die Vermeidung sozialer Isolation sowie Pflege, Altenhilfe und Wohlfahrtswesen. Während Angebote wie das vom Gesundheitsministerium geförderte Projekt Agathe gegen Einsamkeit im Alter oder die Vermittlung von Arztterminen schon gut liefen, fühle man sich beim Thema Gesundheit ausgebremst.
„Bislang müssen Dörfler teils weite Wege zu einer Praxis gefahren werden, damit dort der Blutdruck gemessen wird. Qualifizierte Helfer könnten das gut im Kiosk vor Ort erledigen und die Ärzte so entlasten“, sagt Kaufmann. Bürokratische Blockaden seien nicht mehr zeitgemäß. Was möglich wäre, zeige zudem eine gemeinsame Studie mit der Uni Jena zur Organisation der Behandlung von Demenz und Parkinson. In Kirchheilingen will Kaufmann demnächst einen Anlage installieren, geeignet für Telemedizin und Videosprechstunden. Den Großbildschirm hat er schon, beim Internet wird es schwieriger.
Einen Grund für hohe Gesundheitskosten sieht Karl Lauterbach darin, dass das Gesundheitssystem auf Erkrankungen und nicht auf Vorbeugung fokussiert sei. Abhilfe soll ein neues Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (Bipam) schaffen. Gerade bei Beratung und Prävention könnten die Gesundheitskioske punkten, findet Christopher Kaufmann. Eine Konkurrenz zu den Ärzten sehe er da nicht. Auch deshalb lasse man sich nicht beirren. „Wir werden nicht aufgeben und weiter wachsen“, sagt Kaufmann.